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    Ein paar Gedanken über die Raucherei


    Ich will hier nicht darüber reden, dass Rauchen schädlich ist. Auch nicht über die Raucher schimpfen. Noch weniger zum Kreuzzug gegen die Qualmerei aufrufen. Es wäre kurios - ich bin Raucher.

    Ich möchte einfach mal über zwei Versuche, von dieser Sucht abzukommen, plaudern. Sollte dadurch auch nur ein Nichtraucher abgeschreckt werden zum Glimmstengel zu greifen, so hätte ich eine gute Tat vollbracht.

    Vor rund fünf Jahren war das mit dem ersten Versuch. Einem ernsthaften. 27 Monate habe ich durchgehalten, aber ich glaube, so richtig war ich nicht vom Rauchen ab. Immer wieder tröstete ich mich mit dem Gedanken: wenn was Knalliges passiert, irgendwas Außergewöhnliches, etwas was dem normalen Ablauf des Daseins zuwiderläuft, dann greifst du wieder zur Zigarette. Dieser eigenartige Gedanke ließ mich durchhalten.

    Das Ereignis, welches mein ganzes Leben umkrempelte, trat ein. Die Rauchergemeinde hatte mich wieder.

    Es sollte nur für eine Übergangszeit sein, so ein zwei Monate. Über zwei Jahre dauerte diese Übergangszeit und immer wieder hatte ich in dieser Zeit den Absprung versucht. Es klappte einfach nicht. Ich horchte herum, ob es nicht vielleicht besondere Tricks und Methoden gäbe, die den Ausstieg erleichtern und die Gefahr eines Rückfalles vermindern. Ich hörte mir alles an, wertete und kam, auch eingedenk meines damaligen fast gelungenen Versuches, zu folgender Beurteilung:
    Grundsätzlich muss man endgültig aufhören. Das oft propagierte langsame Hinausschleichen aus der Sucht, jeden Tag eine Zigarette weniger, funktioniert nicht. Das geht schief. Da genügt ein geselliges Beisammensein und zwei oder drei Bierchen - schon sind alle Vorsätze hinweggespült.

    Man muss die Sache alleine durchstehen. Bei meinem Umherhorchen habe ich von vielen möglichen Hilfsmaßnahmen erfahren, die alle über kurz oder lang schief gehen. Wie da wären Hypnose, Akupunktur, Gruppentherapie, der Onkel Doktor mit Nikotinpflaster oder -kaugummi. Hypnose ist mir von vornherein suspekt. Wenn man da an die falsche Stelle kommt, dürfte Schlimmes passieren.

    Akupunktur. Das hält etwa 2-3 Monate vor mit stets fallender Tendenz. Die Anfangserfolge sind verblüffend, jedoch müssen nach einiger Zeit die Sitzungen in immer kürzeren Abständen erfolgen. Und jede Sitzung kostet 20-30 Euro cash. Leider habe ich zwei Bekannte, die sich dieser Prozedur unterzogen hatten, aus den Augen verloren. Der eine hatte nach 10 Wochen, der andere nach 11 Wochen verschämt angefangen, ab und zu eine Zigarette zu rauchen.

    In unserer Zeit ist es Mode, alles und jedes in Gruppen zu verarbeiten. So sind auch die Erfolge solcher Gruppentherapien. Mein Gesprächspartner, der das ausprobierte, ist nach wenigen Treffen abgesprungen. Er wollte sich das Rauchen abgewöhnen und Hilfestellung haben, hatte jedoch kein Interesse daran, sein gesamtes Seelenleben vor versammelter Mannschaft zu offenbaren. Der Onkel Doktor und seine Nikotinpräparate? Schwamm drüber. Das ist der falscheste aller falschen Wege. Und auch unlogisch. Bei der Therapie eines Alkoholkranken dreht man dem Patienten von heute auf morgen den Hahn zu. Warum also beim Rauchen die Krückstockbehandlung?

    Hat man den Entschluss gefasst aufzuhören - und ich hatte es - geht die Sache so weiter: man sucht für den Start einen Zeitraum, der Ruhe verspricht. Bloß nicht den Urlaub, der ist oft stressbeladener als der Alltag. Eine Art verlängertes Wochenende ohne Party, ohne Treffs ist geeignet, denn man sollte die Wohnung nicht verlassen: überall lauern die Raucher! Und alle Rauchutensilien entfernen! Nichts Qualmtechnisches darf in der Wohnung sein, auch keine Kippen im Mülleimer.

    Und wenn man loslegt?

    Man stellt verdutzt fest, dass man auf einmal zwei Hände hat. Die ehemalige Raucherhand bewegt sich unmotiviert, sie weiß nicht so recht wohin. Trainiert zum Zigarettenhalten hat sie nun viel Freizeit und weiß nicht, was sie damit machen soll. Sie erinnert einen dauernd daran, dass sie bis vor kurzem die gar garstige Beschäftigung hatte, zwischen Aschenbecher und Mund hin- und herzusausen.

    Am zweiten Tag kommt der Hammer. Kopfschmerzen hat man, unlustig und gereizt ist man. Sehr gereizt. Man tigert in der Wohnung herum, Fernseher an, Fernseher aus. Versucht ein Nickerchen, versucht zu lesen. Kämpft mit dem Teufelchen, das irgendwo im Gehirn sitzt und dauernd flüstert: Was soll der Quatsch, rauch doch wieder! Was, wenn du nächsten Monat auf der Straße überfahren wirst? Nicht geraucht und trotzdem tot! Wer in der Familie ist eigentlich durchs Rauchen ins Jenseits gekommen? Keiner! Und im Bekanntenkreis? Na? Stimmt - auch keiner. Außerdem, sterben müssen wir alle, dann will ich auch was vom Leben gehabt haben. Lohnt es sich überhaupt steinalt zu werden? Ozonloch, Politiker, Umweltverschmutzung. Elfriede hat mir gestern wieder einen Korb gegeben und Albert, diese Pfeife, was bildet der sich überhaupt ein? Dem werde ich morgen mal was husten.....

    Die Gedanken rotieren, die Gier nach einer Zigarette wird immer schlimmer.

    Wer in diesem Zustand Gesellschaft sucht ist rettungslos verloren. Der erste Bekannte wird nach einer Zigarette angequatscht mit der Bemerkung: 'ich wollte mir eigentlich das Rauchen abgewöhnen - aber...'

    Wer allen Verlockungen widersteht, stellt nach 5-6 Tagen fest, dass die Anfälle zwar nicht an Intensität nachlassen, jedoch die anfallfreien Zeiträume größer werden. Es gibt tatsächlich mal so eine Stunde oder deren zwei, in denen man nicht ans Rauchen denkt.

    Und noch eines stellt man fest: das Essen schmeckt anders. Früher hatte man ja nur gegessen, damit man anschließend genüsslich eine Zigarette rauchen konnte. Vorbei, vorbei. Neuerdings mundet einem alles. Man zelebriert die Mahlzeiten, nimmt sich gern noch hiervon und davon, der Nachtisch wird nicht mehr abgelehnt, Extraportionen müssen her. Und zwischendurch? Man wird zum Fachmann für Schokolademarken, liebt die milcherne von Milka, die zartbittere von Sarotti und all die leckeren Dinge in Stangen-, Riegel-, Kugel- oder Viereckform. Mit Nuss oder Mandel, flüssig oder cremig gefüllt.

    Die pensionierte Raucherhand hat eine neue Beschäftigung gefunden, sie transportiert jetzt Süßkram.

    Das Ende vom Lied war das Ende meines zweiten ernsthaften Versuches, dem Nikotin zu entsagen.

    Mein vorher schon kräftiger Leibesumfang hatte bundeskanzlerisches Format angenommen, ich hatte ein neues Problem zu bewältigen: Dicksein ist ja noch schlimmer als Rauchen!

    Da keucht man beim Treppensteigen schon nach der 10.Stufe, beim Rauchen erst nach der 17. Zudem legen sich die Fettpolster auch auf die Psyche, man möchte im Badezimmer einen Dimmer einbauen, der Anblick des eigenen Körpers ist nur im Dämmerlicht zu ertragen. Der Vorteil - man braucht jetzt viel weniger Wasser in die Badewanne einlaufen zu lassen - wiegt die Nachteile bei weitem nicht auf. Als eines Tages beim Luftholen ein Knopf von der neuerdings sehr eng sitzenden Schlafanzugjacke abknallte, brachen gleichzeitig alle guten Vorsätze zusammen.

    Am nächsten Tag - 14 Wochen war ich ab vom Rauchen - reihte ich mich wieder in die Schar der Raucher ein. Nicht das Teufelchen hatte gesiegt, der Bauch war's.

    Irgendwas muss ich auch diesmal wieder falsch gemacht haben. Jetzt bin ich dick und Raucher.

    Die Folge ist, dass ich mir neuerdings Gedanken über die Dicken im Lande mache. Ob ich die nicht mal verteidigen soll? Ein Plädoyer für die Bepfundeten, für die, die nicht in Kilo, sondern in Zentner rechnen? So nach dem Motto 'Dicksein ist schön?'




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