Letzte Aktualisierung: 20. August 2007
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Liebe Leser,

der nachfolgende Aufsatz ist von mir 1956 geschrieben worden. Ich war 16 Jahre alt und eine leidenschaftliche Heberanerin.
1957 verschlug es mich zur Ausbildung, zum Studium und zur späteren Berufsausbildung -wie man damals zu sagen pflegte- "in die große weite Welt".
Heute lebe ich in Bremen.
Meine Kindheit in Heber ist mir jedoch noch sehr präsent. Besonders unvergessen sind die herrlichen Sommernachmittage in der Badeanstalt, die wundervollen zum Toben einladenden Dachböden überall im Dorf und der Schulhof mit der Turnstange, um nur einiges zu nennen.
Dankbar erinnere ich mich an mein Elternhaus in dem mein Blick behutsam auf die Schönheiten der Lüneburger Heide und besonders auf das schöne Heber gelenkt wurde.
Gehe ich heute durch Heber, freue ich mich, dass "mein Heimatdorf" für seine Bewohner und die vielen Besucher so attraktiv geworden ist.
Sicher werde ich in der nächsten Zeit dort einmal Urlaub machen.

Ingrid Schmidt-Cammann

Bremen, den 17.08.2007


Mein Heimatdorf Heber


von Ingrid Cammann *)

Die Heimat ist der Mittelpunkt unseres Denkens und Fühlens. In der Heimat sind wird geboren, sie umhüllt uns wie ein weicher, warmer Mantel, aber sie kann uns auch die Seele vor Heimweh zerreißen, wenn wir in der Fremde sind. Schon unsere alten Vorfahren kannten das Heimweh, ja, für sie war der Aufenthalt im fernen Land, in der Fremde, gleichbedeutend mit Elend, so groß war ihre Heimatliebe! Und aus der Liebe zur Heimat habe ich mir die Aufgabe gestellt, über mein Heimatdorf Heber zu schreiben.

Dort wo am Südwestrande des Naturschutzparks sich seit vorgeschichtlichen Zeiten die Wasser vieler kleiner Quellen aus Moor und Bruch zur Böhme vereinigen, liegt mein Heimatdorf Heber. Es ist mit seinem Grundbesitz von über fünftausend Hektar eine der größten Gemeinden Niedersachsens. Das alte Dorf bestand aus sechs Höfen, davon waren zwei Vollhöfe. Fünf lagen westlich der Böhme in dem kleinen Dreieck, das heute bestimmt wird durch das Bosselmannsche Grundstück, den Ruschmeyerschen Hof und die Straßenabzweigung nach Schneverdingen, Hüners Ecke genannt. Nur ein Hof, Gasthaus Heuer, lag seit alter Zeit östlich der Böhme, er hieß darum Awaternhof. Awatern heißt über dem oder jenseits des Wassers, in diesem Falle der Böhme, die sich damals breit, behäbig, langsam und unbegradigt durch ein Sumpfgebiet, das jetzige Wiesental schlängelte.  
Heidelandschaft bei Heber.

Unsere heutigen Bauern sagen, ihre Vorfahren hätten "in den Dreck" gebaut. Wenn man bedenkt, wie hoch heute noch in diesem Gebiet - trotz Entwässerung und Begradigung der Böhme - der Wasserstand ist, dann muss man ihnen Recht geben. Doch warum bauten sie denn so? Die Lösung ist gar nicht so schwer. Für das Vieh wurde viel Wasser gebraucht. Da aber beiderseits der Böhme das Gelände stark ansteigt, hätte man beim Bau tiefer Brunnen vor großen, damals vielleicht unüberwindlichen Schwierigkeiten gestanden, hier aber hatte man in geringer Tiefe mühelos reichlich Wasser.
Mit dieser schrägen Lage, so behaupten gelehrte Männer, hängt der Name des Dorfes zusammen. Heber soll die am Hang liegende Heidebauernstelle heißen. Mir gefällt eine andere Deutung, von der Wissenschaftler wieder sagen, sie stimme nicht, viel besser. Sie heißt etwa so: Die Bauern von Heber mussten ihre Abgaben in alter Zeit an den Herrn von Behr in Stellichte zahlen. Dieser vererbte das Recht an seine Tochter Hedewig. So war unser Ort das Dorf der Hedewig von Behr oder Hedeber oder Heber.



Ausgrabungen aus den Hügelgräbern.
  Fraglos ist Heber eine uralte Siedlung, älter als das Geschlecht der von Behr, das beweisen die aus der Bronzezeit stammenden Hügelgräber rings um Heber und die Steingeräte, die der Pflug der Bauern bei Kultivierungsarbeiten ans Tageslicht beförderte. Es wurden geschliffene Beile aus Feuerstein und durchbohrte Äxte aus Grünstein gefunden. Beides sind nach Ansicht der Altertumsforscher Geräte der jüngeren Steinzeit. In meinem Heimatdorf lebten also zwischen 4000 - 2000 v. Chr. schon Menschen. In das Licht der Geschichte trat Heber aber erstmalig im Jahre 1123. Damals hieß es Hathebere. Im 16. Jahrhundert trifft man die beiden Formen Hedebere und Hedheber. Sie bilden sicher die Ursache für die Erzählungen von Hedewig von Behr.
Rings um Heber liegt ein Kranz kleiner Siedlungen, die zur Gemeinde Heber gehören. Es sind dies die Ortschaften Hillern, Surbostel, Scharrl und Benninghöfen und die Höfe Pietz, Möhr, Bockheber, Wulfsberg, Tütsberg und Langwedel.

Es ist nicht bekannt, ob Heber in früheren Jahrhunderten oft durch Kriegswirren zu leiden hatte. Da mein Heimatdorf aber nicht an einer Heerstraße lag - die damalige Handelsstraße führte von Soltau über Scharrl in Richtung des heutigen Handorfer Weges - ist anzunehmen, dass es besser weggekommen ist als manches andere Dorf, besonders wenn es noch in einer reichen Gegend lag. Das wurde aber anders, als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die heutige Bundesstraße 3, die man fälschlicherweise Napoleonstraße nennt, gebaut wurde. Auf ihr bewegten sich dann bald Napoleons Truppen und die Heere der Befreiungskriege, die beide dafür sorgten, dass in den Speisekammern der Heberer nichts verschimmelte.

Diese Straße hatte für hundert Jahre als die von Norden nach Süden führende Poststraße eine große Bedeutung und brachte auch meinem Heimatort und besonders unserem "Posthof" wesentliche wirtschaftliche Vorteile.
Auf dem Posthofe standen ständig zwanzig Pferde, und jeder Postillon musste hier seine Pferde wechseln. Trotz der zwanzig Pferde wurden sie manchmal noch so knapp, dass der Bauer seine Pferde vom Pflug nehmen und aushelfen musste. Die Fahrgäste erquickten sich in der Zeit in der Gaststube des Posthofes mit dem aus Heberer Korn in eigener Brauerei hergestellten Schnaps oder sie labten sich an den Leckerbissen aus der Küche der Frau Posthalterin. Für Übernachtungen standen eine Reihe von Zimmern zur Verfügung. Je nach der Größe des Geldbeutels konnte man auf dem Heuboden oder im Bett übernachten. Die von dem Postwagen mitgebrachte Post trugen oder fuhren Heberer Postboten aus. Zu ihrem Bezirk gehörten noch Bispingen und Schneverdingen. Da kam es dann wohl auch einmal vor, dass der Postbote den Weg an einem Tag nicht schaffte. Entweder lag es am Wetter oder am Schnaps, den man dem Bringer der Neuigkeiten überall gern, reichlich und ausdauernd einschenkte.
 

Dort, wo einstmals der alte Posthof war, befindet sich heute das modernste Bauernhaus von Heber.

Die Herrlichkeit der Postkutsche endete, als das Dampfroß auf langen Schienensträngen durch die Heide stampfte. Nun fuhren nur noch die Pulverwagen von Bomlitz, die hinter dem Dorf ausspannen mussten, auf der alten Poststraße, und zwischen ihren dicken Pflastersteinen wuchs zartes, grünes Gras. Doch der Dornröschenschlaf dauerte nicht lange, da kamen Männer und überzogen die drei Fahrbahnen aus Sand, Schotter und Steinen mit einer Splitt- und Teerschicht. Aus der alten Heerstraße wurde die Straße 3, auf der in unangenehmer Häufigkeit Autos durch mein Heimatdorf rasen. Viel Unheil haben sie schon angerichtet, und die Bevölkerung von ganz Heber hat heute nur den einen Wunsch: Wäre doch erst die Autobahn Hamburg - Soltau fertig!

Die alte Poststraße ist aber noch in anderer Hinsicht für Heber von Bedeutung gewesen; sie veränderte das Gesicht des ganzen Dorfes. Zwei Bauern verlegten ihre Hofstellen vor gut einhundert Jahren aus dem eingangs erwähnten feuchten Dreieck an die neue Straße. Weiter verkauften andere Besitzer Baugelände an dieser Straße, und so entstanden Hebers Anbauerstellen.


Die alte Mühle.
  Man sollte meinen, dass es in einem abgelegenen Heidedorf in früheren Jahrhunderten nur Bauern gegeben hätte. Das trifft aber für Heber durchaus nicht zu. Außer der schon erwähnten Brennerei gab es auf dem Posthofe- und zwar schon bevor dieser Posthof wurde - eine Ziegelei, die so bedeutend war, dass sie die Steine zu einer hannoverschen Kaserne in Celle lieferte. Die Ziegelei soll eingegangen sein, weil der Lehmvorrat erschöpft war. Auch der Hof Möhr hatte eine Ziegelei. Weiter gab es in Heber eine Senfmühle. Die sogenannte Senfscheune ist erst vor einigen Jahren abgerissen worden. Seine Erzeugnisse vertrieb der Besitzer mit Pferd und Wagen bis über Lüneburg hinaus ins Wendland.
Die größte Bedeutung aber hatte wohl die Mühle. Wann sie entstanden ist weiß niemand. Anfangs war es eine Wassermühle, die oberhalb Hebers an der Böhme lag. Die "Diekwisch" gibt uns noch die Lage an. Die Mühle ging ein, weil die Böhme zu wenig Wasser führte. Der Müller musste einen ganzen Tag stauen, um zwei Stunden mahlen zu können. 1825 wurde die Windmühle errichtet. Sie ist noch heute als Motormühle in Betrieb.


Da im Heberer Schulhaus meine Wiege stand, möchte ich auch von den hiesigen Schulverhältnissen erzählen. Wann hier eine Schule eingerichtet wurde ist unbekannt. Es gibt aber noch ein altes Schulhaus, das seit 1850 Bauernhaus ist. Nach einer Inschrift ist dieses Haus 1714 errichtet und nach einer anderen 1791 erweitert worden. Das heutige Schulhaus wurde 1850 erbaut. Es ist ein Eichenfachwerkbau und hatte gleich von Anfang an zwei Klassenräume.


Die alte Schule.
 
Die neue Schule.


Ein Spruch über der Tür der alten Schule.

Nach dem letzten Krieg ist auf dem Schulhof eine Baracke mit einem dritten Klassenraum errichtet worden, da durch die Flüchtlinge die Kinderzahl bedeutend gestiegen war. Der erste namentlich erwähnte Lehrer hieß Inselmann. Er starb 1775, und nun unterrichteten hier nacheinander Großvater, Vater und Sohn der Familie Broocks, 113 Jahre lang bis 1888. Das ist doch wirklich eine Seltenheit! Von 1850 bis 1873 war die zweite Lehrerstelle nur mit einem Hilfslehrer besetzt, dem der Hauptlehrer Wohnung und Verpflegung zu geben hatte; darum war die Stelle auch nur im Winter besetzt. Im Sommer konnte ein Lehrer die Arbeit schaffen, weil viele Kinder beurlaubt waren. Seit 1873 besteht aber eine planmäßige und seit 1948 auch eine dritte Lehrerstelle.

Ich möchte nun einige Einwohner- und Schülerzahlen aufzählen:
1800 hatte Heber 440 Einwohner und 80 Schulkinder
1866 hatte Heber 700 Einwohner und 140 Schulkinder
1886 hatte Heber 650 Einwohner und 131 Schulkinder
1905 hatte Heber 721 Einwohner und 115 Schulkinder
1936 hatte Heber 900 Einwohner und 120 Schulkinder
1948 hatte Heber 1400 Einwohner und 186 Schulkinder
am 1.10.1956 hatte Heber 994 Einwohner und 92 Schulkinder

Die Einwohnerzahl von 1886 war gesunken, weil kurz vorher mehrere Familien nach Amerika ausgewandert waren. Die Schülerzahl von 1905 ist darum so niedrig, weil ab 1904 die Kinder von Benninghöfen und Tütsberg nach Behringen und von Wulfsberg nach Haverbeck zur Schule gingen. Von 1924 bis zum Beginn des Krieges gab es in Tütsberg eine Familienschule, heute gehen die Kinder wieder nach Behringen oder Heber. Kurz vor der Jahrhundertwende fingen unsere Bauern an, ihre Heideflächen aufzuforsten, weil die Holzpreise durch den großen Bedarf an Grubenholz gewaltig stiegen. Da man dadurch den Schnucken und den Bienen die Nahrung nahm, schaffte man sie einfach ab. Schade! Überhaupt merkten jetzt die Leute hier, dass die Heide nicht wertlos sei. Das kam besonders durch die Landerwerbung des Vereins "Naturschutzpark". Wie die Bodenpreise jetzt stiegen, dafür nur ein Beispiel: 1908 wurde der Hof Tütsberg für 45000 Mark verkauft. 1928 erwarb ihn der Naturschutzpark für 150000 Mark.  
Heidschnuckenherde.

Das Kriegerdenkmal.
  Im Jahre 1923 wurde an der Hauptstraße ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen und Vermissten des Weltkrieges 1914/18 errichtet. Im Jahre 1953 wurden zwei Flügel angefügt für die Gefallenen des Krieges 1939 bis 1945. 105 Namen Gefallener sind dort in Stein gemeißelt. "Der Stein bewahre ihren Namen, unser Herz ihr Gedächtnis, Gott ihre Seele." Vielleicht ist es beim Lesen der Einwohnerzahlen aufgefallen, dass sich Heber von 1905 bis 1936 trotz der Verluste im vorletzten Kriege um 179 Personen vergrößerte. Das kam so: Zwei junge Bauern hatten in der Inflationszeit ganz den Sinn für den Wert des Geldes verloren, und als wieder normale Verhältnisse waren, warfen sie weiter mit großen Geldscheinen um sich. Da konnte es nicht ausbleiben, dass ihre Höfe verschuldeten und schließlich viel Land verkauft werden musste. Daraus entstanden elf Siedlungen und vier Abbauerstellen. Dort, wo sonst zwei Familien lebten, leben heute siebzehn. Anfangs sollen es die Siedler sehr schwer gehabt haben. Sie bekamen nur wenig kultivierten Boden. Heute geht es ihnen gut; ihre Felder gehören aber auch zu den bestbestellten des Dorfes.

Da Heber aber nicht so ganz unmodern ist, baute man 1934 hier schon eine Badeanstalt mit anliegendem Zeltplatz, der bereits vor dem Kriege, als das Zelten in Deutschland noch fast unbekannt war, als einer der ersten deutschen Plätze im internationalen Campingverzeichnis stand. Heute kann der Bürgermeister mit den Einnahmen daraus den Badewärter bezahlen. Sonst wäre es unserer kleinen Gemeinde überhaupt nicht möglich, die Badeanstalt zu unterhalten.

Der letzte Krieg hat auch meinem Heimatdorf schwere Wunden geschlagen. Zehn Anwesen mit einundzwanzig Gebäuden fielen am 17. April 1945 dem Krieg zum Opfer, aber heute ist von diesen Zerstörungen nichts mehr zu sehen. Gerade in diesen Tagen wächst aus den letzten Ruinen ein neues Wohnhaus empor.

Die Bautätigkeit war in Heber nach dem Kriege nicht so groß wie in vielen anderen Orten.
Unsere Hausnummernzahl hat sich nur um acht vergrößert; aber in diesem Jahr wird mitten im Dorf - gegenüber der Schule - eine Kirche gebaut. Ein Friedhof wurde schon 1945 eingerichtet.
Mit diesen beiden Anlagen ist ein alter Wunsch der meisten Heberer in Erfüllung gegangen. Wie sehr die Gemeinde den Kirchenbau wünschte, mag daraus zu ersehen sein, dass der Bauplatz geschenkt wurde und die Einwohner 7000 DM für den Kauf von drei Glocken spendeten.
In der letzten Zeit sind täglich Leute da, die den Kirchenbau besichtigen. Einige meinen, der Turm sei zu niedrig. Ich finde ihn unter den hohen Buchen gerade richtig. Nun sieht die Kirche breit und geduckt aus, wie eine Henne, die ihre Kücklein unter ihre Flügel nehmen will.
 
Die Heberer Kirche.

Da es dunkelte, hörte ich eben eine Weile mit dem Schreiben auf und schaute sinnend auf unsere schmucke Kirche, als von draußen her Kinderstimmen an mein Ohr klangen. Meine Gedanken werden durch ein Lied, das auch ich schon so oft gesungen habe, unterbrochen: "Laterne, Laterne!" Ja, das Laternegehen ist wohl noch die einzige alte Sitte in meinem Heimatdorf; aber alte Sagen kenne ich noch mehrere, so den Treueschwur im Möhrengrund, die Räuber im Möhrengrund und Clara-Annen von Scharrl. Diese Sagen brauche ich nicht zu erzählen, sie sind in Baurichters Buch "Glaube, Spuk und Räubergeschichten" aufgeführt. Erwähnen möchte ich aber, dass der letzte Nachkomme der Clara-Annen vor einigen Wochen als alter Mann in Heber gestorben ist, und erzählen möchte ich sie weil sie nirgends aufgezeichnet ist, die Geschichte von der Räuberherberge in Scharrl. "In Scharrl schient de Sünn", so steht's noch heute über der Räuberherberge und verkündet dem Wanderer, dass es den Besitzern von Scharrl immer gut geht. Einstmals, als die große Heerstraße noch über Scharrl führte, war in diesem Haus eine einträgliche Ausspannwirtschaft, die an einen kalten Winterabend ein Soltauer Kaufmann betrat. Er bestellte ein Bett und ging frühzeitig ins Schlafzimmer, das an der Diele lag. Da am anderen Morgen ein Schwein geschlachtet werden sollte, waren auf der Diele noch einige Vorbereitungen zu treffen, die die fürsorgliche Wirtin, um den Gast nicht zu stören, flüsternd mit dem Personal erledigte. Dieser aber hatte schon viel Gruseliges von der Räuberherberge gehört, war ängstlich und konnte nicht einschlafen. So hörte er folgende Gesprächsteile: "Du binnst em dat Strick an't Bein!" "Hast dat Messe schaap?" "Ich steck em dann Krummstock in't Mul, dat'te nich schrien kann!" Da langte es dem Angsthasen. Halb angezogen sprang er aus dem Fenster, rannte barfuss im tiefen Schnee nach Heber und alarmierte die Bauern. Mit Dreschflegeln und Forken bewaffnet, kamen sie am frühen Morgen ans Haus geschlichen, öffneten die Dielentür und sahen ein Schwein an der Leiter hängen.

Von diesem kleinen Ausflug in die Sagenwelt muss ich zum Schluss meiner Arbeit noch einmal wieder zurückkehren in die Wirklichkeit, in die politische Wirklichkeit. Heber gehörte bis zum Jahre 1648 zum Bistum Verden, war von 1648 bis 1719 schwedisch und kam dann zu Hannover. Von 1806 bis 1813 gehörte Heber zum Kaiserreich Frankreich. Die Ostgrenze Hebers war damals die Grenze zwischen Frankreich und Westfalen. Infolge der Festlandssperre blühte an dieser Grenze der Schmuggel. Sogenannte Douanenhügel erinnern heute noch daran. Nach 1813 wurde Heber wieder hannoversch und gehörte bis 1856 zum Regierungsbezirk Stade und von da an zum Regierungsbezirk Lüneburg, mit dem es 1866 preußisch wurde.
So stieß man die Menschen herum, man verhandelte sie, wie man Vieh verhandelt. Jeder kleine Fürst war nur darauf bedacht, mehr Land und mehr Leute zu bekommen, um seine Steuerquellen zu vergrößern. An die Seele des Menschen dachte keiner, er war ja nur Untertan. Hoffen wir, dass diese Kleinstaaterei endlich ganz aufhört und wir sorglos in unserer Heimat und für unsere Heimat leben können.


Bienenstand in der Heidelandschaft.
 
300jährige Heidekate in Hillern.

Quellennachweis:
1. Otto und Theodor Benecke: Lüneburger Heimatbuch, 2. Auflage. Verlag Schünemann, Bremen.
2. G.Matthias: Geschichte der Stadt Uelzen, C.Beckers Buchdruckerei, Uelzen.
3. Die Schulchronik von Heber.



*) Ingrid Cammann war die jüngste Tochter des Lehrers und späteren Hauptlehrers Willi Cammann, der von 1929 - 1961 an der Schule in Heber tätig war.